Geschichte der Bubenreuther:
1815 | Unerträgliches Erlangen – Die Behörden sind machtlos gegen „Saufzwang“ und Duellwesen
Auswüchse:
Das studentische Korporationswesen – keine Erfindung der 1815 in Jena entstandenen burschenschaftlichen Bewegung, sondern mit Wurzeln bis hinein in das Mittelalter – treibt zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Erlangen immer unerträglichere Blüten: Die drei bestehenden „Landsmannschaften“ bilden einen Staat im Staate mit eigenen Gesetzen („Comment“) und schikanieren mit „Saufzwang“ und Duelldrohung die anderen Studenten. Insbesondere Neuankömmlinge sind Bevormundungen und Demütigungen bis hin zu Misshandlungen ausgesetzt. Die Behörden sind machtlos.
Ideale:
In diese Welt aus Faustrecht, Hackordnung und Regionalpatriotismus fließen neue Geistesströmungen: Die Gleichheitsideen der französischen Revolution, der Idealismus und die Schwärmerei der deutschen Romantik, die Religiösität und die Sittlichkeit eines entstehenden Bürgertums und – stark entfacht durch die Befreiungskriege gegen das napoleonische Frankreich – eine „Liebe zum deutschen Vaterland“. Beflügelt von den Lehren eines Arndt, Fichte, Herder, Jahn oder Schiller versucht in Erlangen eine studentische Avantgarde, die Universität zu einem Ort zu machen, an dem diese Ideale verwirklicht sind.
1817 | 1. Dezember: Studentenrevolte auf dem “Wels” – Wartburg-Heimkehrer gründen die Erlanger Burschenschaft
Ziele:
Durchdrungen von den neuen Idealen der Zeit ist das Wartburgfest vom Herbst 1817, die große studentische Feier der Jenaer Burschenschaft zu Ehren Martin Luthers. Auch Erlanger sind dabei. Die Heimkehrer tragen Aufbruchstimmung und Visionen nach Franken: Freiheit, Christlichkeit, Reich! Standesunterschiede sollen verschwinden, Sittlichkeit die Rohheit ersetzen, die deutsche Einheit auf den Hochschulen geschaffen werden! Die vormals allmächtigen Landsmannschaften geraten in die Defensive und müssen einlenken. Im November wird der Saufzwang in Erlangen aufgehoben. Die Studenten stellen weitere Forderungen, die Bedenkzeit bis 1.Dezember verstreicht jedoch ohne weitere Zugeständnisse.
Verfassung:
Die erste Verfassung der Burschenschaft vom Januar 1818 gleicht einem Manifest, das den neuen Ideen von Freiheit und Gleichheit temperamentvoll Ausdruck verleiht: „Da unter allen Übeln kein ärgeres ist als ein sclavischer Sinn“, so wettert das Schriftstück etwa gegen landsmannschaftliche Trinksitten: „verwirft die Burschenschaft den vordem üblichen Bierzwang, denn es war hier der Aufgeforderte der Sklave des Forderers!“
1819 | Evolution statt Revolution – Karl von Hase und die Erlanger Burschenschaft setzen auf den ”Arminismus”
Karlsbader Beschlüsse:
Der jungen Burschenschaft droht bald Gefahr: Der 25-jährige – er hatte bereits 1816 ohne nachhaltigen Erfolg versucht, in Erlangen eine Burschenschaft ins Leben zu rufen – ermordet im März 1819 August von Kotzebue. Der populäre Lustspieldichter berichtet als russischer Generalkonsul regelmäßig über die deutschen Verhältnisse an den Zarenhof und gilt Sand als Spion und Vaterlandsverräter.
Der Tat folgen auf Betreiben Metternichs die Karlsbader Beschlüsse. Mit ihnen werden die Burschenschafter zu Staatsfeinden erklärt und Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt. Die Burschenschaft muss in den Untergrund gehen und ihren Namen ändern. Gegenüber den Behörden nennt man sich gelegentlich „Arminia“, auch „Bubenruthia“ (die latinisierte Form von „Bubenreuther“) wird gebräuchlich.
Arminismus:
Während dieser Verfolgungszeit kommt ein Student nach Erlangen, der das Studentenleben für zwei Jahre geist- und kraftvoll beeinflusst: Karl von Hase. In seine Zeit fällt der Burschentag in Streitberg von 1821. Von Hase kann dort das sogenannte „arminische“ Verständnis von Burschenschaft durchsetzen: „Die deutsche Burschenschaft ist die Ausbildung des Leibes und der Seele für das Leben im gesamten Volke“. Modern gesprochen: Gewissenhaftes Studium, systematische Beschäftigung mit Staat und Gesellschaft sowie ein Streben nach moralischer Persönlichkeit sollen ein leistungsfähiges, ethisches und patriotisches Bürgertum hervorbringen. Diese Bürger sollen den Grundstock einer neuen Gesellschaft bilden und später, im Berufsleben, im Sinne der burschenschaftlichen Ziele wirken (siehe auch das Prinzip der „Wissenschaftlichkeit“). Damit setzt die arminische Burschenschaft auf einen evolutionären Prozess und verwirft radikalrevolutionäre Ansätze, was in den Folgejahren zur Abspaltung der „germanischen“ Richtung führt.
1823 | “Bauern mit beachtlichem Mensurkenntnissen” – Warum die Bubenreuther “Bubenreuther” heißen.
Bubenreuth:
Für die Burschenschafter ist Bubenreuth, ein Bauerndorf am Fuße des Erlanger Rathsbergs, ein beliebter Treffpunkt. Vor allem im Gasthof „Mörsbergei“ kommt man gerne zusammen. „Hier ist ein Leben!“ schreibt der Freiheitsdichter Ernst Moritz Arndt im Jahre 1798. „Es war Burschenwelt aus Erlangen da, und da ist es laut.“ Der Ort verleiht den Erlanger Burschenschaftern schließlich seinen Namen, besonders in der Verfolgungs- und Verbotszeit, als andere Bezeichnungen verdächtig und gefährlich sind. „Vivat Bubenruthia!“ lesen wir die latinisierte Namensform als Stammbuch-Eintrag im Jahr 1823.
Eigenart:
Die Bubenreuther des Dorfes verwachsen mit den studentischen Bubenreuthern zu einer engen Gemeinschaft, die bis heute ihresgleichen sucht. Die Dorfkirchweih wird zum gemeinsamen Fest, Bubenreuth ist Ort von Burschentagen und Festkommersen. „Auf Fechttagen eignen sich die Bauern als Zuschauer beachtliche Mensurkenntnisse an“, wie ein Bubenreuther Historiker schreibt, „sie haben schon bald bei den Kneipen der Burschenschaft ihren Tisch in der Wirtsstube, ohne sie ist die Bubenreuther Eigenart undenkbar.“
1839 | Ein 19-Jähriger reformiert die Burschenschaft – Hans von Raumer führt die Bubenreuther aus der Krise
Auflösung:
Nach dem Hambacher Fest (1832) und dem Frankfurter Wachensturm (1833) verschärfen die Behörden ihre Maßnahmen gegen die Burschenschaften. Die Bubenreuther sehen ihren letzten Rettungsweg in der formalen Auflösung. Ohne äußere Form, nur getragen von der Idee und den Zielen, soll die Burschenschaft unter dem Namen „Bubenruthia“ weiterbestehen. „Laßt uns von der Form scheiden – was hat’s denn für Not?“, schließt am 9. Mai 1833 die überlieferte Rede von Sprecher August Esper. „Der Geist lebt in uns allen, und unsere Burg ist Gott!“
Hans von Raumer:
Die folgende Durststrecke wird durchgestanden, wenn auch nicht ohne Krisen. Nach dem Abgang Espers herrscht ein Mangel an Führungspersönlichkeiten, um die formenlose Gemeinschaft zu leiten. In dieser Situation springt ein Mann in die Bresche, der die Bubenruthia aus der Stagnation der 1830er Jahre reißt: Der 19-jährige Hans von Raumer. Er erkennt, dass neben der Tradition – heutzutage würde man vielleicht von Identität sprechen – doch feste Institutionen und Formen Not tun. Raumer baut die Bubenreuther Institutionen wieder auf, stärkt die Autorität des Ehrengerichts (der beschlussfassenden und schiedsrichtenden Versammlung der Burschenschaft), erfüllt die „Bubenreuther Blätter“ mit neuem Leben und stellt den seit 1818 zusammengetragenen Bundesregeln eine Bubenreuther Verfassung, später „Brauch“ genannt, an die Seite. Am Anfang der neuen Verfassung steht der Wahlspruch: „Mit Gott für Freiheit, Ehre, Vaterland!“
1855 | Das “Bubenreuther Programm” soll die burschenschaftliche Bewegung in Deutschland einen.
Krise:
Zu Beginn der 1850er Jahre steckt die deutsche burschenschaftliche Bewegung in einer tiefen Krise: Das Paulskirchen-Parlament ist gescheitert, alte politische Verhältnisse ziehen wieder ein, Schwarz-Rot-Gold wird erneut verboten; überdies wirken burschenschaftliche Richtungsstreitigkeiten der 1840er Jahre nach. Mit einem eigenen Konzept wollen die Bubenreuther daran gehen, die Burschenschaften wieder zu sammeln, zunächst mit Erfolg: Das „Bubenreuther Programm“ wird zum Schlagwort für eine burschenschaftliche Richtung. Es umfasst die Prinzipien „Vaterlandsliebe“, „Sittlichkeit“ und „Wissenschaftlichkeit“, verbietet das Duell als Selbstzweck und stärkt den Zusammenhalt zwischen studierenden und ehemaligen Burschenschaftern.
1884 | “Was ist da von der Idee noch übrig?” – Die Bubenreuther stemmen sich gegen den Wilhelminismus.
Sinnkrise:
Dem Jubel nach der Reichsgründung von 1871 folgen in der burschenschaftlichen Bewegung bald Sinnkrise und Stillstand – welche Ziele soll man nun verfolgen? Äußerlichkeiten, Organisationsfragen, Formalismen und Rituale beginnen einen Rang einzunehmen, der ihnen, burschenschaftlich gesehen, nicht zukommt. „Was ist da von der Idee der Burschenschaft noch übrig?“ klagt der Bubenreuther Sprecher Hermann Bezzel.
Mörsbergei:
Die Jahrzehnte zwischen Reichsgründung und Weltkrieg sehen die Bubenreuther „zwischen Renaissance und Sturm und Drang zugleich“, wie ein Bubenreuther Chronist schreibt. Als zeitweise größte Burschenschaft Deutschlands hat das Wort der Bubenreuther Gewicht. Das Haus in der Östlichen Stadtmauerstraße wird 1889 fertiggestellt. Als 1914 das Gerücht aufkommt, Jean „Der Schang“ Mörsberger wolle die alte Heimat der Burschenschaft, den Gasthof „Mörsbergei“ in Bubenreuth, verkaufen, erwirbt die Burschenschaft das Anwesen kurzerhand. Das Sommersemester 1914 geht beschwingt zu Ende – und damit eine über 40 Jahre lange Friedenszeit.
Auf Halbmast:
Die finsteren Wolken über der Politik Europas entladen ihre Kriegsgewitter im August 1914. Die Bubenreuther eilen zu Hunderten zum Waffendienst. Die wenigen in Erlangen verbliebenen Bundesbrüder, kaum zehn, entschließen sich für das Weitermachen im Rahmen des Möglichen. Es erfolgen Neuaufnahmen, zum Teil auf schriftlichem Wege. Eine große „Kriegskonfuxia“ entsteht, doch manch einer kommt nicht mehr dazu, seine Bundesbrüder kennen zu lernen. Auf dem Erlanger Haus weht schon im August die Fahne auf Halbmast. Von den in den ersten Kriegssemestern Eingetretenen kehrt nur jeder Dritte aus dem Feld zurück. 104 fallen bis Kriegsende.
1923 | Inflation und Wirtschaftskrise – Die Bubenreuther gehen in kurzen Hosen zur alkoholfreien Kneipe.
Mangel:
Die wirtschaftliche Not der Nachkriegszeit steigt. Das Telefon im Hause ist ihr schon zum Opfer gefallen. Über die Abhaltung eines großen Jubiläums wird lange diskutiert, das 105. Stiftungsfest wäre fällig, dem verantwortlichen Kassier, graut es davor – woher Geld nehmen, wenn die Mark täglich weniger wert ist? Schließlich wird im Juli 1922 dennoch das erste große Fest nach dem Kriege durchgeführt. Beim Kommers werden fast 500 Teilnehmer gezählt, die Damen spenden 72 Gedecke für die Mahlzeiten.
Zugeständnisse:
Trotz Alkoholmangels verlaufen die Kneipen weiterhin fröhlich. Fechten ist kaum mehr möglich, der Fechtzeugmangel ist chronisch geworden. Reisegelder für Tagungen stehen nicht mehr zur Verfügung, Vorschüsse sind sinnlos geworden. Das Fahnenseil auf dem Haus reißt – um es erneuern zu können, müssen alle ortsanwesenden Bundesbrüder ihr Bargeld zur Verfügung stellen. Die Umstände erfordern Zugeständnisse auch bei den Vorschriften, die das Tragen der Farben regeln: Nun ist es erlaubt, zu kurzer Hose Band und Mütze zu tragen.
1936 | Kampf um die Eigenart – Erlanger Verbindungsstudenten weigern sich, ihre Farben abzulegen.
Eigenleben:
Nach der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 macht sich in der Bubenruthia neben nationaler Hoffnung und Aufbruchstimmung auch die Sorge breit, in einen Sog von Vereinnahmung und Gleichschaltung zu geraten. In der Tat ist Hitler das bunte Eigenleben der Korporationen ein Dorn im Auge. Den Nationalsozialisten schwebt eine gleichgeschaltete, im „Studentenbund“ (StB) organisierte Studentenschaft vor.
“Nicht arisch“:
Im August 1933 ergeben Nachforschungen des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft (DB), dass der Großvater der Ehefrau eines Bubenreuther Philisters (Alter Herr) nicht „arisch“ gewesen sei. Der Betroffene, der Krebsforscher Karl Bauer, bietet seinen Austritt an, Bundesleiter Wilhelm Hagen weigert sich jedoch, diesen anzunehmen. Im Juni suspendiert sich die Burschenschaft selbst, „da sie gewillt ist, ihrem Philister Treue zu halten“. Doch beim Reichskultusminister wird schließlich ein Einlenken erreicht. Er entscheidet, dass Bauer in seinem Bund bleiben dürfe.
Eklat:
Das Jahr 1936 bringt das endgültige Aus für die Erlanger Verbindungen. Am 31. Januar kommt es auf einer akademischen Feier zum Jahrestag der Machtergreifung zum Eklat: Der Führer des StB fordert die korporierten Studenten auf, ihre Farben abzulegen oder den Saal zu verlassen – sie wählen das Zweite. An ein Weitermachen ist nun nicht mehr zu denken. In einer siebenstündigen Sitzung der Erlanger Verbindungen auf dem Uttenreuther Haus wird der gemeinschaftliche Auflösungsbeschluss gefasst. Die Fahne auf dem Bubenreuther Haus geht um 24 Uhr nieder.
Zusammenhalt:
Wider Erwarten trifft die Bubenreuther die Auflösung nicht so tödlich wie manche befürchten; vergleichsweise nicht tiefer als die Auflösung 1833. Der Zusammenhalt ist so stark, dass die Jungen illegal aktiv bleiben und sogar neue Mitglieder hinzukommen. Nachdem auch das Bubenreuther Haus in der Östlichen Stadtmauerstraße beschlagnahmt wurde, strahlen Bubenreuth und Mörsbergei umso stärkere Anziehungskraft aus, sehr zum Ärger des StB. Kraftvoll am Leben erhalten wird der Bubenreuther Geist vom alten Hermann Fehr – er wird „Fuchsmajor und lebendige Geschichte in einer Person“. Vergeblich verbietet der Gaustudentenführer 1943 den Gebrauch des Wortes „Kneipe“ als „burschenschaftliche Reminiszenz“.
1945 – 1948 | Neues Leben: Vom Diskussionsforum II über die Sodalitas zur ,,neuen“ Burschenschaft der Bubenreuther
In dem in 4 Besatzungszonen aufgeteilten Deutschland wird in Erlangen im November 1945 zunächst die Theologische Fakultät und am 3. März 1946 die Friedrich Alexander Universität mit rund 3 000 Studenten wieder eröffnet. Aus einem 1946 von der Militärregierung und dem Bayrischen Kulturministerium im Sommersemester angeregten wissenschaftlichen Diskussionsforum II zur Vertiefung staatsrechtlicher Gedanken und parlamentarischer Gepflogenheiten entwickelt sich bei Zusammenkünften in Bubenreuth der Gedanke zur Gründung der studentischen Verbindung Sodalitas, die sich am 1. Dezember 1948 – dem Jahrestag der Gründung der Erlanger Burschenschaft 1817 – durch Aufnahme des gold-gesäumten schwarz-roten Bandes der Bubenreuther zur Burschenschaft der Bubenreuther erklärt und seine Prinzipien und den Wahlspruch annimmt.
1948 – 1968 | Die Bubenreuther sind eine ,,geistige – akademische – Arbeitsgemeinschaft“
Die „neuen“ Bubenreuther sind aus dem von der US-Regierung angeregten „Forum“ erwachsen, einer Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der politischen demokratischen Bildung und Verantwortung durch die akademische Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen im gespaltenen Deutschland. Deshalb ist es nur verständlich, dass die geistige Auseinandersetzung der folgenden Jahre sowohl über Vorträge während des Semesters als auch über Freizeiten auf kirchlichem Boden in der Sachsenmühle, Wernfels, Rummelsberg, Neuendettelsau sich mit dem Wahlspruch und seinem Sinngehalt und vielen weiteren Themen beschäftigt, wie Wehrdienst und Vaterlandsliebe in einem geteilten Deutschland, Revision des burschenschaftlichen Geschichtsbildes, sittlicher Lebensführung, Atombewaffnung, Sinn und Unsinn des Mensurfechtens, und vielen weiteren Themen des politischen und sozialen Lebens. Die Bubenreuther stehen zu den Aussagen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und wollen die Wiedervereinigung des geteilten Deutschland in der Verankerung mit dem westlichen Bündnis. Die Kontakte zum anderen Teil Deutschlands unter kommunistischer Herrschaft werden versucht durch Einladungen von Studenten der Universität Leipzig und den Besuch von in der DDR ansässigen Bundesbrüdern zu halten. Die revisionistischen Aussagen der „Deutschen Burschenschaft“ und der rechtsreaktionären österreichischen Burschenschaften in ihr werden mit großem Unwillen gesehen: jedoch kann man sich nicht zum Austritt entschließen, weil man meint, einem größeren Dachverband angehören zu müssen.
1968 | ,,Wenn der Geist erhalten bleibt!“ – Die Sechziger Jahre führen zu Spannungen in der Burschenschaft.
68er:
Das Wirtschaftswunder veränderte das soziologische Gefüge der Bundesrepublik Deutschland erheblich. Begleitend zu den veränderten Lebensbedingungen wurden in der jungen Bundesrepublik Traditionen und Formen in ungekanntem Ausmaß in Frage gestellt. Die 1960er Jahre führen auch innerhalb der Burschenschaft der Bubenreuther zu Spannungen und Belastungen. Was ist die Burschenschaft? Nur ein Forum? Nur ein Club? – Fragen die auch 1946 intensiv diskutiert wurden.
Fechten:
Als Anpassung an veränderte Lebensbedingungen der Studierenden wird die Anzahl der Kneipen reduziert: Die Samstagskneipe gibt es noch immer, aber nicht mehr mit der selbstverständlichen Regelmäßigkeit früherer Jahrzehnte. Allgemein verschwinden Bänder und Mützen aus den Hörsälen und dem Stadtbild. Drängend wird die Frage nach Sinn und Wert des Fechtens, das zwar nie Prinzip der Burschenschaft gewesen ist, aber dennoch hochgehalten wurde. 1968 durchschlägt die Burschenschaft den Gordischen Knoten, indem sie das Fechten einstellt.
„Das Prinzip“:
Den tiefsten Einschnitt bildet allerdings die Abschaffung des „Keuschheitsprinzips“, das vorehelichen Geschlechtsverkehr untersagt, schlechthin „das Prinzip“ genannt. Es stammt aus den Anfängen der Burschenschaft und war darauf gerichtet, einer Verwilderung der Sitten in der Studentenschaft entgegenzuwirken. 1968 beschließen Aktivitas und Altherrenschaft mit jeweils großer Mehrheit das Keuschheitsprinzip zugunsten des Sittlichkeitsprinzips abzuändern. Heinz Roth, der damalige Leiter der Versammlung äußert dazu: „Die Jungen mögen wohlüberlegt Traditionen und Formen, die ihnen nicht mehr zeitgemäß erscheinen, ablegen, wenn der Geist erhalten bleibt!“
1984 | Das Bubenreuther Colloquium :
Die Anpassung an die veränderten Lebensbedingungen führten dazu, dass eine am politischen Leben interessierte Studentenschaft bei den Bubenreuthern aktiv wurde, die sich mit der Frage des Vaterlandsbegriffes in einem geteilten Vaterland auseinander setzte, Studienfahrten in den anderen teil Deutschlands und nach Berlin organisierten, und gemeinsam mit dem Philisterium die Veranstaltungsreihe des Bubenreuther Colloquium starteten. Das erste öffentliche Colloquium am 28. Januar 1984 hatte das Thema: „10 Jahre Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik – Erwartungen und Ergebnisse“. Der damalige Sprecher Peter Hübner erklärte:
„Schwarz-Rot-Gold, die deutschen Nationalfarben stehen symbolhaft für den Wunsch der Deutschen in Einheit und Recht und Freiheit ihre Zukunft zu gestalten.
Diese Farben wurden zuerst von der burschenschaftlichen Bewegung 1817 auf der Wartburg gezeigt.
Seit dem Hambacher Fest wurden sie zum Symbol der Sehnsucht einer breiteren Öffentlichkeit nach der Einheit der Deutschen in Selbstbestimmung und Freiheit in der Gemeinschaft der europäischen Völker. So betrachtet stellen Schwarz-Rot-Gold, die Farben der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, ein Symbol stetiger Aufgaben und Verpflichtung dar.
Schwarz-Rot-Gold sind auch die Farben der Burschenschaft der Bubenreuther. Wir begreifen sie als das äußere Symbol unserer eingegangenen Verpflichtung, uns und unsere Mitglieder in christlicher Verantwortung zu demokratischen und engagierten Staatsbürgern zu erziehen, die sich ihrer Verantwortung für das ganze Deutschland in einem freien Europa bewusst sind.“
Inzwischen sind viele weitere derartige Colloquien zu vielen Themen allgemeinen politischen Interesses durchgeführt worden. Die Bubenreuther Colloquien gehören inzwischen zum festen Bestandteil des Lebens der aktiven Burschenschaft sowie der Altherrenschaft. Sie vermitteln der Öffentlichkeit, dass die Bubenreuther ihre Aufgabe ernst nehmen, ihre Mitglieder zu informierten und verantwortlichen Demokraten zu erziehen. Die Reihe der Colloquien wird seit 2014 durch die Bubenreuther Studienreisen ergänzt, an der jeder junge Bundesbruder einmal in seiner Studentenzeit teilnehmen sollte. Die von den mitreisenden Alten Herren weitgehend finanzierten Reisen soll die Bubenreuther akademische Jugend mit den historischen und kulturellen Gegebenheiten Deutschlands und Europas bekannt machen, ihre Verantwortung für unser Land und ein demokratisches Europa stärken. Die bisherigen Reisen gingen nach Berlin und den Bundestag, nach Kreisau und Breslau, zum Europa-Parlament in Straßburg und zu Kriegsschauplätzen des 1. Weltkrieges, und im Lutherjahr nach Thüringen (Wartburg, KZ Buchenwald, Weimar).
1993 | Eifrige Kritiker und Bubenreuther Standpunkte – Die Burschenschaft wehrt sich gegen Vorurteile.
Kritiker:
Schon bald nach der deutschen Wiedervereinigung trüben nationalistische und fremdenfeindliche Auswüchse die schwarz-rot-goldene Feierstimmung im Land. Vor diesem Hintergrund warnen eifrige Korporationskritiker vor einem Wiedererstarken der unter Generalverdacht stehenden „Burschenschaftler“ und nehmen es mit der Quellenkritik nicht allzu genau. So gelangt die Aussage eines nicht näher benannten „Schweizer Korporierten“, der die Bubenreuther in einen Topf mit „eindeutig rechtsradikalen und neonazistischen“ Burschenschaften wirft, in ein auflagenstarkes burschenschaftskritisches Buch. Zeitungen von „Unicum“ bis „Süddeutsche“ greifen die Passage 1993 auf und verbreiten die Märchen – ausgerechnet im Jahr des 250jährigen Jubiläums der Erlanger Universität.
Bubenreuther Manifest:
Es gelingt der Bubenruthia, aus der Not eine Tugend zu machen. Im sogenannten „Bubenreuther Manifest“ leiten Aktive und Philister ihre gesellschaftliche Verantwortung aus dem von Rechts und Links oft missverstandenen Vaterlandsbegriff ab. Die Standortbestimmung wird dem Rektor der Universität anlässlich des Jubiläums übergeben und findet breite Anerkennung in den Medien. In der Folge werden die Bubenreuther ein zentraler Ansprechpartner für Zeitungs- und TV-Journalisten, die um eine ausgewogene Darstellung der burschenschaftlichen Bewegung bemüht sind.
Neue Deutsche Burschenschaft:
In den 90er Jahren vertieft sich auch die Kluft zwischen Hardlinern im alten Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) und anderen Burschenschaften. Im Januar 1996 rufen acht Bünde, unter ihnen die Burschenschaft der Bubenreuther und drei weitere Mitglieder des RV, in Hannover die „Neue Deutsche Burschenschaft“ (NeueDB) ins Leben. Die NeueDB versteht sich als Alternative zur „alten“ DB und will ein zeitgemäßes Engagement für das Gemeinwesen ohne nationalistische Überhöhung. Unter Vaterland versteht sie die Bundesrepublik Deutschland als Teil eines demokratischen Europa. Das Ziel, ein Gegengewicht zur DB zu bilden, wird nach wenigen Jahren erreicht: Heute ist der Verband auf 22 Mitgliedsbünde mit rund 4000 Einzelmitgliedern angewachsen.
2016 | Die Burschenschaft der Bubenreuther, eine studentische Wohngemeinschaft
Die Mitglieder der aktiven Burschenschaft leben in einer studentischen Gemeinschaft auf dem 1889 erbauten Bubenreuther Haus, dem angegliederten Hogrefe-Heim und dem 2016 neu errichteten Studentenwohnheim.
Durch den intensiven Kontakt miteinander entstehen über die Grenzen der verschiedenen Studienrichtungen hinaus durch das Leben tragende, stimulierende und freundschaftliche Kontakte, welche die Grundlage für die bald 200-jährige Kontinuität des Auftrages des Bubenreuther Lebensbundes sind.
So wollen Sie für ein geeintes Deutschland in einer föderalen und freiheitlichen europäischen Gemeinschaft eintreten, um unsere Gemeinschaft zu erhalten und mit dem Leitgedanken (Wahlspruch) „Mit Gott für Freiheit, Ehre, Vaterland“ zu leben.
2017 | 200 Jahre “Burschenschaft der Bubenreuther”
Im Jahr 2017 feiert die Burschenschaft der Bubenreuther ihr 200 jähriges Bestehen. Offiziell berufen sich die Bubenreuther auf das Gründungsdatum der Erlanger Burschenschaft auf dem Wels – den 1. Dezember 1817.
Weiter Informationen finden sich in unserem Internetauftritt.